10. Jun 2022
Blumen, Blumenfotografie, Fotoworkshop, Frühblüher, Frühling, Makro, Makrofotografie Saarland, Pflanzen, Sommer, Workshop Pflanzenfotografie
Das Licht schimmert durch das Blätterdach.
Canon EOS R5 +Canon RF 85mm 1.2 + Novoflex TrioPod Pro75 + Novoflex ClassicBall 5 II + Novoflex Q-Base II
Es ist mitten in der Nacht, ich kann nicht einschlafen, bin genervt von diesem andauernden Wummern und Dröhnen, diesem unerträglichen Hämmern. Was habe ich mir da nur eingebrockt? Die Biogasanlage ist so laut, dass ich selbst mit Ohrstöpseln kaum ein Auge zukriege. Ich liege im Schlafsack im Auto am Waldrand und will nicht mehr umparken, immerhin liege ich ja schon. Doch bevor ich in dieser Nacht komplett verzweifle, klingelt endlich der erlösende Wecker. Es ist ca. 4 Uhr, bald wird es dämmern. Ich ziehe mich an, schlüpfe in die Wanderschuhe, putze mir schnell die Zähne, schultere den Rucksack und das Stativ und breche auf. Diese Einleitung habe ich vor fast 10 Jahren für einen Artikel in der Naturfoto geschrieben. Zum Glück, gönne ich es mir heute im Gasthof zu schlafen. Das Dröhnen ist nun weg, ich darf aber noch früher aufstehen.
Am Waldrand angekommen führt mich mein Weg steil bergauf, es geht in einen wunderbaren fränkischen Wald. Die Vögel zwitschern ermunternd und begleiten meinen Aufstieg. Oben angekommen vergesse ich schnell die Biogasanlage, denn hier ist es wunderschön, ein Wald voll Magie. Ein Wald wie aus einem Märchen, das ich als Kind vorgelesen bekommen habe. Wo ich auch hinblicke, überall schimmert etwas Gelbes, etwas Rotes, etwas Grünen zwischen den Bäumen: Es ist der gelbe Frauenschuh – hurra, er blüht! Auf der Fahrt hatte ich schon befürchtet, es wäre vielleicht noch zu früh im Jahr.
Die Sonne ist noch nicht aufgegangen. Im Zwielicht erkenne ich, dass die ersten Wolken sich rot färben – es ist also Eile angesagt. Ich schaue mich genau um: Welche der Pflanzen steht am besten? Welche ist die schönste? Und probiere schließlich ein wenig herum, fokussiere in alle Richtungen, bis ich sehe, wie sich die Unschärfekreise in der Dämmerung verändern, bis ich rote Farben sehe und ich diese mit kälteren Farbtönen vermischen kann. Ich erkenne, was mir gut gefällt und was mir noch nicht so richtig passt. In meinem Kopf entsteht nach und nach die Idee eines Bildes – ja, so soll es werden! Es ist immer wieder ein schöner Moment, wenn sich vor meinem inneren Auge das Bild herauskristallisiert, das ich machen möchte. Eine Mischung aus beschwingter Freude und dem klaren Abwägen technischer Einzelheiten.
Selten hat mich eine Art dermaßen fasziniert: sie strahlt gelb, schimmert rot und sieht so richtig nach einer Orchidee aus. Natürlich ist diese Assoziation trügerisch, aber für mich sieht sie so aus wie eine „richtige“ Orchidee, wie die, die ich als Kind bereits im Blumenladen bewundern durfte. Der Gelbe Frauenschuh (Cypripedium calceolus) wird auch Rotbrauner Frauenschuh oder Marienfrauenschuh genannt. Letztere Bezeichnung rührt wohl daher, dass die Blüte bereits in alten Legenden im Zusammenhang mit der Jungfrau Maria erwähnt wird. Sie besagen, dass die Jungfrau Maria auf der Flucht war. Sie floh durch einen dunklen und unheimlichen Wald. Während dieser Flucht verlor sie einen ihrer Schuhe. An dieser Stelle wuchs dann die Blume, die den Namen Frauenschuh erhielt. Laut Lehrbuch ist es eine der prächtigsten wildwachsenden Orchideenarten Europas, und genau das empfinde ich, wenn ich diese unglaubliche Art sehe. Der Gelbe Frauenschuh steht in allen Ländern unter strengem Schutz. 2010 wurde er zur Orchidee des Jahres gewählt. Er erreicht eine Wuchshöhe von bis zu 60 cm und ist von Nord- über Mittel bis Osteuropa, über Asien bis Japan verbreitet. Wobei der Gelbe Frauenschuh die einzige in Deutschland wild vorkommende Frauenschuhart ist. Er wächst in schattigen Laubwäldern oder an buschigen Berghängen bis ca. 2000 Höhenmeter. Die bekannten Vorkommen werden Jahr für Jahr von großen Menschenmengen besucht. Besonders bekannt ist das Gasterntal im Berner Oberland in der Schweiz, aber auch das Lechtal in Österreich. Dank Freunden aus Franken – Bayern darf ich sie ja nicht nennen – habe ich in deren wunderschöner Heimat zahlreiche Frauenschuhstandorte kennengelernt, sowohl in Nadelwäldern, als auch auf mittelgroßen Waldlichtungen bis hin zum normalen Buchenwald. In unmittelbarer Umgebung kann man häufig zahlreiche andere Orchideenarten fotografieren, wie das rote und weiße Waldvögelein, die Fliegenragwurz oder auch die Vogel-Nestwurz.
Eigentlich kann man nicht viel mehr zum Frauenschuh sagen, man muss ihn erleben, selber sehen und in seinem Lebensraum stehen, um seine wahre Schönheit zu erkennen. Ich bin fast jedes Jahr mehrere Tage vor Ort, so sehr fasziniert mich diese Art. Dieses Jahr war ich zweimal vor Ort und so dürft Ihr mit zwei Blogeinträgen rechnen.
Bei der Pflanzenfotografie lasse ich mich immer treiben. Oft sitze ich nur da, betrachte das Licht, genieße den Moment und frage mich: Was macht diesen Ort so besonders für mich? Warum sitze ich hier und was muss unbedingt auf mein Bild, damit ich diese Stimmung transportieren kann? Wie kann ich dem Betrachter und dem Leser mein Gefühl vermitteln? Dabei entstehen meine Ideen, die ich immer genau so umsetzen möchte, wie sie in meinem Kopf sind. Manchmal dauert es mehrere Jahre, bis alle Bedingungen so zusammenpassen, dass ich eine Bildidee realisieren kann. Doch ich bin der Meinung, eine konkrete Vision der Bilder ist entscheidend, um sie dann auch umsetzen zu können.
Gerade bei Pflanzenarten die im Wald wachsen verwende ich gerne unterschiedliche Brennweiten. Dabei bringen die langen Brennweiten einen wunderbar freigestellten Hintergrund, eignen sich aber häufig nicht so gut um Unschärfekreise im Hintergrund zu erzeugen. Das liegt daran, dass im Wald Unschärfekreise besonders gut durch den hellen Himmel entstehen, der durch die Lücken im Blätterhimmel blitzt. Dafür eignen sich hervorragend kürzere Brennweiten (z.B. 100mm), mit deren Hilfe man das Blätterdach des Waldes stärker in das Bild einbauen kann.
Wer von euch mit mir Schmetterlinge und Pflanzen fotografieren will, die Workshoptermine für das kommende Jahr sind nun online! Übrigens sind für diesen Herbst zwei Workshopplätze frei geworden, zum einen beim Workshop „einfach nur Herbst“ und zum anderen beim Workshop im Valle Verzasca. Hier gehts zu den Workshops!
Canon EOS R5 + Canon 135mm 2.0 L + Novoflex TrioPod Pro75 + Novoflex ClassicBall 5 II + Novoflex Q-Base II
Die einzigartige Silhouette des Frauenschuh
Canon EOS R5 + Canon 400mm 2.8 L IS + Novoflex TrioPod Pro75 + Novoflex ClassicBall 5 II + Novoflex Q-Base II
In Licht getaucht leuchtet er nicht nur gelb, sondern auch rot.
Canon EOS R5 + Canon RF 35mm 1,8 + Novoflex TrioPod Pro75 + Novoflex ClassicBall 5 II + Novoflex Q-Base II
In der Dämmerung leuchtet der Frauenschuh leise und unauffällig im Wald.
Canon EOS R5 + Canon 200mm 2.0 L IS + Novoflex TrioPod Pro75 + Novoflex ClassicBall 5 II + Novoflex Q-Base II
Mit zunehmendem Licht explodiert die Farbenpracht geradezu.
Canon EOS R5 + Canon 200mm 2.0 L IS + Novoflex TrioPod Pro75 + Novoflex ClassicBall 5 II + Novoflex Q-Base II
Ein Tanz der Blumen im Wald.
Canon EOS R5 + Canon RF 85mm 1,2 L + Novoflex TrioPod Pro75 + Novoflex ClassicBall 5 II + Novoflex Q-Base II
Canon EOS R5 + Canon RF 85mm 1.2 L + Novoflex TrioPod Pro75 + Novoflex ClassicBall 5 II + Novoflex Q-Base II
Eine Zitterpappel ergänzt das Bild von oben.
Canon EOS R5 + Canon 200mm 2.0 L IS + Novoflex TrioPod Pro75 + Novoflex ClassicBall 5 II + Novoflex Q-Base II
Mein persönliches Lieblingsbild von dieser ersten Reise zum Frauenschuh.
Canon EOS R5 + Canon 300mm 2.8 L IS II + Novoflex TrioPod Pro75 + Novoflex ClassicBall 5 II + Novoflex Q-Base II
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