17. Mai 2020
Bohnensack, Fototechnik, Objektivtest, Podcast
NEU, jetzt könnt Ihr zu vielen Blog Einträgen auch den BlogTalk, als Teil meines neuen Podcasts hören!
Wer von euch keine Lust mehr hat Blogeinträge zu lesen, kann diese nun oft auch hören:
Größenvergleich: Canon 2,8 400mm L IS III; Canon 2,0 200mm L IS; Canon 4,5-5,6 100-400mm L IS II
2008 kamen das Canon 2,0 200mm L IS und Canon 5,6 800mm L IS auf den Markt. Das 200er wollte ich schon immer einmal besitzen, aber irgendwie wollte ich es nie bezahlen. Der aktuelle Neupreis liegt mit 6000 EUR für ein Canon Supertele tatsächlich am unteren Ende der Skala. Das Canon 2.0/200mm L IS hat mir immer im Kopf herum gespukt und wie soll ich sagen, auch das legendäre Canon EF 1.8 200mm L habe ich schon immer einmal probieren wollen, als ich dann ein gebrauchtes gefunden hatte, war es leider extrem dejustiert. Überhaupt war ich immer der Meinung das Bokeh ist bestimmt super und es könnte mit Sicherheit wunderbare Bilder auf meinen Sensor bannen. Long story short, ich habe in der Corona Krise spontan ein gebrauchtes Canon 2,0 200mm L IS gekauft. Ein Objektiv, das ich nicht brauche und das 12 Jahre alt ist (also mein Exemplar).
Sinn oder Unsinn?
Eigentlich ist das Canon 2.0/200mm L IS ein absoluter Exot, er wird nur für recht wenige Einsatzfelder wirklich benötigt und mit zunehmend besserer Qualität in den höheren ISO- Werten kann den Job in der Sportfotografie immer öfter auch ein Canon 2.8 70-200mm L übernehmen und für Landschaftsaufnahmen, bei denen man ohnehin abblendet, braucht man es auch nicht. Ich wollte es schon immer für den Nahbereich besitzen und habe mir sogar das Sigma 2,8 180mm OS gekauft und gedacht, damit sei das 2.0 200er endlich aus meinem Kopf verschwunden. Aber es ist geblieben und so kam es zu der unsinnigen Entscheidung, dass ich es unbedingt brauche. Von einem freundlichen Sportfotografen aus Bayern habe ich es mir also gebraucht gekauft.
Das Bokeh des Canon 2,0 200mm L IS ist auch bei Tieren im kleineren Abbilungsmaßstab einfach ein Traum.
Canon EOS R + Canon 2,0 200mm L IS + Novoflex PRO75 + Novoflex Classicball 5 II + Novoflex Q-Base II
Die Freistellung des Canon 2,0 200mm L IS ist bei unruhigen Hintergründen besonders ansprechend.
Canon EOS R + Canon 2,0 200mm L IS + Novoflex PRO75 + Novoflex Classicball 5 II + Novoflex Q-Base II
Technik:
Das Canon 2.0/200mm L IS ist wie auch das Canon 5.6/800mm L IS offiziell ein Superteleobjektiv der ersten Version, das aber auch heute noch hergestellt wird, in einer Zeit in der das 400er und 600er bereits in der dritten Version gebaut werden. Ich sehe das 200er und das 800er als eine Zwischenversion zwischen Version I und II, denn immerhin ist es 11 Jahre nach den ersten IS Versionen der Supertele erschienen und nur 2-3 Jahre vor den IS II Versionen der Supertele. Sogar der IS des 200ers ist nach heutigen Maßstäben noch sehr gut.
Das 200er ist wunderbar kompakt gebaut, es erreicht an der Naheinstellgrenze von 1,9m einen maximalen Abbildungsmaßstab von 1:8,33 und wiegt 2520 Gramm und ist somit 170 Gramm schwerer als das Canon 2.8 300mm L IS II.
Verarbeitung und Auspacken:
Mein Canon 2.0 200er kam in der OVP mit originalem Koffer und allem was dazu gehört. Alles ist wie immer absolut Premium. Auch die Verarbeitung ist wirklich super gut. Ganz unter uns gesprochen, ich finde die Wertigkeit der alten L IS Supertele war einfach auf einem höheren Niveau als bei den aktuellen Version III Superteles. Ich weiß nicht woran es liegt, gefühlt mehr Metall und natürlich auch mehr Gewicht. Ganz klar, das Gewicht der Version III Supertele muss irgendwo eingespart werden und das geht eben auch durch den Einsatz anderer Materialien. Die Verarbeitung des 200ers ist also wie immer ohne Fehl und Tadel. Was ich absolut nicht verstehen kann, ist, warum die Stativschelle nur ein ¼‘ Gewinde hat? Aus meiner Sicht gehört an jedes Supertele immer die Option zweier Gewinde, um eine ordentliche Schnellwechselplatte montieren zu können, denn auch der Hebel ist nicht unerheblich, der auf ein Stativgewinde bei einem 200er wirkt.
IS und AF:
Der IS arbeitet sehr gut, sowohl vom Stativ als auch freihand, wirklich noch auf einem guten Niveau und deutlich besser als z.B. der meines Sigma 2.8 180mm OS. Auch der Autofokus tut was er soll, er packt schnell zu und sitzt dort wo ich fokussieren will, egal ob an der EOS R als auch bei der EOS 1DX II, es passt es einfach sofort. Er greift schnell zu und bleibt auch auf dem Motiv. Gefühlt würde ich behaupten, dass ich mit dem Canon 2.0 200mm L IS deutlich weniger Ausschuss habe als mit dem Canon EF 2.8 70-200mm L IS II.
Bildschärfe, Bildlook und Bokeh:
Die Bildschärfe ist bereits bei Offenblende 2.0 absolut überragend und über den ganzen Bildbereich herausragend. Arbeitet man mit Zwischenringen, um den Abbildungsmaßstab zu vergrößern, nimmt die Qualität spürbar ab. Ich benutze dieses Objektiv wirklich ausschließlich bei Blende 2.0 und es macht, was die Schärfe angeht, einen tollen Job.
Vignettierung, ja, hat es. Ich liebe die Vignettierung genauso wie die Vignette der anderen Canon Supertele, sie gehört einfach zum Bildlook. Chromatische Aberrationen, hier ist es nicht perfekt, es weißt deutlich mehr chromatische Aberrationen auf als es bei den aktuellen Canon EF und RF Linsen im L Bereich üblich ist. Das Bokeh ist absolut perfekt, die Unschärfekreise sind extrem schön und zeichnen sich teilweise durch einen leicht scharfen Rand aus, den ich teilweise auf die Anfälligkeit von chromatischen Aberrationen zurückführen würde. Gleichzeitig ist das Canon 2.0 200mm L IS bei Gegenlicht recht zickig und neigt dazu, schnell mit dem Streulicht zu kämpfen.
Persönlich spreche ich gerne von der Seele von Objektiven. Ein randscharfes Objektiv zu bauen ohne Verzeichnung, Vignette, chromatische Aberrationen etc., interessiert mich persönlich überhaupt nicht. Der Look und die Gesamteindruck des Bildes müssen zusammenspielen und sind der Grund, warum ich bestimmte Objektive besonders gerne einsetze. Ich muss sagen, das Canon 2.0 200mm L IS ist die Perfektion des Bildlooks, die Freistellung und das Bokeh sind ein absoluter Traum. Dazu sorgt die extreme Zickigkeit bei Gegenlicht sowohl für besonders schöne warme Farben als auch teilweise versaute Bilder. Gleichzeitig werden die Unschärfekreise mit einer leichten Kante gezeichnet, die ich extrem schön finde und die Vignette sorgt für ihr Übriges. Oft habe ich das Gefühl, dass eine Art seidiger Samt oder Glow auf meinem Bild liegt. Ich muss sagen, ich bin sehr angetan von diesem Objektiv. Anfangs war ich mir überhaupt nicht sicher was ich damit machen soll und ob ich es behalten will oder gleich weiterverkaufe. Inzwischen bin ich mir sicher, es ist Liebe auf den ersten Blick und es wird definitiv eines meiner meist benutzten Objektive werden. Ich behaupte einfach mal aus der Hüfte geschossen, es ist für mich das charaktervollste EF Objektiv.
Die Unschärfekreise des Canon 2,0 200mm L IS bringen eine tolle Form und einen sehr schönen Rand.
Canon EOS R + Canon 2,0 200mm L IS + Novoflex PRO75 + Novoflex Classicball 5 II + Novoflex Q-Base II
Der Hintergrund den das Canon 2,0 200mm L IS erzeugt ist absolut traumhaft.
Canon EOS R + Canon 2,0 200mm L IS + Novoflex PRO75 + Novoflex Classicball 5 II + Novoflex Q-Base II
100% Crop aus der vorherigen Aufnahme bei 2.0.
Sobald man sich einem Tier sehr gut nähern kann, ist die Bildwirkung des 200er wirklich hervorragend.
Canon EOS R + Canon 2,0 200mm L IS + Novoflex PRO75 + Novoflex Classicball 5 II + Novoflex Q-Base II
100% Crop aus der vorhergehenden Aufnahme bei Blende 2,0
Telekonverter:
Bei den Extendern besitze ich nur noch den Canon 2X Extender III und der macht aus dem 2.0 200mm L IS, ein 4.0 400mm L IS. Die Qualität bei 4.0 ist, naja, nicht optimal. Aber bereits das Abblenden auf 4.5-5.0 (also um 1/3-2/3 Blendenstufen) bringt einen extremen Qualitätsgewinn und schlägt dann auch mein Canon 4.5-5.6 100-400mm L IS II von der Schärfe, auch an den Bildrändern. Wenn man das weiß und eben mit 4.5 statt 4.0 arbeitet, ist es echt ein ordentliches 400er. Es wird aber vom Canon 2,8 400mm LS III natürlich vernichtend geschlagen, gerade in den Randbereichen. In der Bildmitte ist es nicht so eindeutig, aber 2.8 zu 4,5 sind dann eben 1 1/3 Blendenstufen unterschied. Als Notfall 400er ist das 200er aber wirklich in Ordnung. Zur AF-Geschwindigkeit aus der Praxis kann ich leider nicht besonders viel sagen, da das nur Probeschüsse waren ohne praxisrelevantes, bewegtes Motiv.
Fazit:
Das Canon 2.0 200mm L IS ist objektiv betrachtet, schwer, teuer und unnütz, vor allem, wenn man ein 2.8 70-200mm L besitzt. Für mich ist es einfach perfekt und Liebe auf den ersten Blick. Es ist das Objektiv, das mir immer gefehlt hat, denn der unvergleichbare Bildlook wird es mich sehr viel einsetzen lassen, und das ist der Moment, an dem wir die Betrachtung differenzieren müssen. Wer einfach nur scharfe 200mm für Pressearbeit, Sportfotos oder Landschaftsaufnahmen braucht, für den ist dieses Objektiv einfach rausgeschmissenes Geld. Wer auf den Bildlook steht, dem Bokeh verfällt und es als großer Liebhaber versteht, dies gerne einzusetzen, der wird das Canon 2.0 200mm L IS einfach lieben.
Hier einmal der Vergleich Canon 2,0 200mm L IS zu Sigma 2,8 180mm OS Macro im Nahbereich. Was ich ganz deutlich sehe ist, das das Sigma viel, viel krasser Vignettiert und die Hintergründe beim Canon einfach so viel weicher werden.
Traumhaftes Bokeh beim Canon 2.0 200mm L IS
Canon EOS R + Canon 2,0 200mm L IS + Novoflex PRO75 + Novoflex Classicball 5 II + Novoflex Q-Base II
Auch das Bild des Sigma 2,8 180mm OS ist wirklich schön, aber beim Canon dagegen sieht deutlich seidiger aus.
Canon EOS R + Sigma 2,8 180mm Macro + Novoflex PRO75 + Novoflex Classicball 5 II + Novoflex Q-Base II
Das Sigma 2,8 180mm OS ist deutlich dunkler belichtet (damit hat das Sigma ohnehin ein kleines Problem). Die Unschärfekreise werden deutlich kleiner und das Bokeh ist einfach nicht so samtig weich.
Canon EOS R + Sigma 2,8 180mm Macro + Novoflex PRO75 + Novoflex Classicball 5 II + Novoflex Q-Base II
So lange der maximale Abbildungsmaßstab des Canon 2.0 200mm L IS ausreicht ist es wirklich eine traumhafte Linse.
Canon EOS R + Canon 2,0 200mm L IS + Novoflex PRO75 + Novoflex Classicball 5 II + Novoflex Q-Base II
Hier noch der Vergleich des Teleeffekts, beim 200er wird deutlich mehr des Hintergrundes aufgenommen als beim 400er.
Canon EOS R + Canon 2,0 200mm L IS + Novoflex PRO75 + Novoflex Classicball 5 II + Novoflex Q-Base II
Beim 400er kann man deutlich weniger Hintergrund aufnehmen, was dazu führt, das man in diesem Beispiel den Hintergrund komplett gelb machen konnte. Was man am Ende lieber hat, muss jeder selbst entscheiden.
Canon EOS R + Canon 2,8 400mm L IS III + Novoflex PRO75 + Novoflex Classicball 5 II + Novoflex Q-Base II
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