TTArtisan 50mm 1.4 Tilt für Canon RF meine Erfahrungen

Canon RF 50mm 1.8 links, TTArtisan 50mm 1.4 Tilt rechts

Tilt-/Shift Objektive:
Zunächst sollte ich kurz erklären, was ein Tilt-und-Shift-Objektiv kann: Tilt bedeutet, dass man die Schärfeebene verlagern kann. Bei normalen Objektiven ist die Schärfeebene eine Parallele zum Sensor. Dank des Tilts kann man diese Ebene verschwenken.
Mit Hilfe der Shift-Funktion lassen sich stürzende Linien korrigieren oder einfach Panoramen erstellen. Das klingt erst einmal nach zwei Funktionen, die man überhaupt nicht braucht für die Naturfotografie, doch im Gegenteil: sie sind nützlich. Die Kombination aus Tilt und Shift ermöglicht es, stürzende Linien in Wäldern oder in den Bergen zu vermeiden und gleichzeitig kann man die Schärfeebene so legen, dass das Bild von vorne bis hinten scharf ist. Dabei kann man im optimalen Blendenbereich von 8 arbeiten und umgeht somit auch noch jegliche Beugungsunschärfe. Das Vorgehen vor Ort sieht dabei wie folgt aus: zuerst wird die Kamera mittels Wasserwaage ausgerichtet. Wichtig ist dabei, dass sie wirklich waagerecht ausgerichtet ist und nicht nach vorne oder hinten geneigt ist. Im Anschluss wird der genaue Bildausschnitt mittels Shift eingestellt. Ist dieser gewählt, muss der Tilt eingestellt werden. Bei normalen Landschaftsfotos reichen in der Regel 0,5-1,5 Grad aus. Das Einstellen bedarf einiges an Erfahrung. Am Anfang schießt man gerne über das Ziel hinaus. Neben den traditionellen Landschaftsaufnahmen lassen sich mit Hilfe der Tilt-Funktion auch die beliebten Miniatureffekte erzielen. Mit der Shift-Funktion kann man außerdem hervorragend Panoramas erzeugen, indem man einfach 3 Aufnahmen macht, bei denen man einmal nach links, einmal nach rechts und einmal nicht vershiftet (alternativ ist auch das vershiften nach oben, unten und nicht vershiften denkbar). Ich benutze das Objektiv hierfür jedoch nur sehr selten.

Miniatureffekt beim Schneeglöckchen (Blende 2.8)

Wozu braucht man ein Tilt Objektiv wie das TTArtisan 50mm 1.4 Tilt für Canon?
Eine interessante Frage, denn Canon bietet nur Tilt-und-Shift-Objektive in 17mm, 24mm, 50mm, 90mm und 135mm an. Diese sind optisch exzellent, groß, schwer und nicht ganz günstig. Sie sind in der aktuellen Version jeweils Superrotatoren, was bedeutet, dass man die Tilt- und Shift- Funktion frei gegeneinander verdrehen kann. Nun ist das TTArtisan 50mm 1.4 lediglich ein Tilt Objektiv und kein Tilt-Shift Objektiv. Entsprechend sind keine perspektivischen Korrekturen möglich. Was heißt das? Nunja eigentlich ist das 50mm 1.4 als Tilt Objektiv ein reines Spaßobjektiv für Miniatureffekte. Es ist also eigentlich ein Portraitobjektiv, mit dem man auch Miniatureffekte erzeugen kann und genau für die Miniatureffekte wollte ich es haben. Hier schildere ich also wie immer meine Erfahrungen, es ist kein klassischer Test des TTArtisan 50mm 1.4 für Canon RF. Ich werde immer wieder den Vergleich zum Canon RF 50mm 1.8 ziehen, das in einer ähnlichen Preisklasse spielt.

#Transparenz: mir wurde das TTArtisan 50mm 1.4 Tilt von TTArtisan auf meinen Wunsch ausgeliehen. Mich hat einfach interessiert, was ein solches Objektiv im Stande ist zu leisten.

Technische Daten und erster Eindruck:
Das TTArtisan 50mm 1.4 Tilt für Canon RF wiegt 499g wohingegen das Canon RF 50mm 1.8 mit 190g ein wahres Leichtgewicht ist. (Eigene Messung inkl. Objektivdeckel) Das TTArtisan hat ein 62mm Filtergewinde. Mit einem Neupreis von 269 EUR ist es ein perfektes Objektiv, um mit dem Canon RF 50mm 1.8 verglichen zu werden, das 249 EUR kostet.
Das TTArtisan wird gut verpackt geliefert und macht einen wertigen ersten Eindruck. Es kommt viel Metall zum Einsatz, weshalb gerade die Verarbeitung auf den ersten Blick solide wirkt. Der Objektivdeckel ist zum Aufschieben. Das halbe Kilo Gewicht trägt zur guten Haptik bei, gleichzeitig ist das Objektiv kein Leichtgewicht. Der Fokusring läuft sauber und weich. Insgesamt bin ich im ersten Moment sehr angetan gewesen.

Küchenschelle im Abendlicht (Blende 1.4)

Praxiseindruck:
Der positive erste Eindruck verflüchtigt sich, wenn man das TTArtisan 50mm 1.4 Tilt im Praxiseinsatz hat und gleichzeitig mit den Canon TS-E Objektiven arbeitet. Was mir als erstes aufgefallen ist, der Tilt Mechanismus hat nur eine Lock Schraube, jedoch keine Schraube über den man die Gradzahl des Tilt Mechanismus sauber steuern kann. Hier merkt man, dass das Objektiv eher als Effektobjektiv konzipiert ist, denn als ernst zu nehmendes Tilt Objektiv. Auch das TTArtisan ist ein Superrotator, da man das Objektiv komplett um seine eigene Achse im Bajonett drehen kann. Eigentlich ein Superduperrotattor (eigene Wortkreation), wenn man es so nennen möchte, da es keine Kabel oder Elektronik hat, entsprechend kann man es einfach so oft man will um die eigentliche Achse drehen, ohne mechanische Einschränkungen (oder Kabel).
Auf dem Objektiv befindet sich am Bajonettansatz ein roter Punkt. Dieser ist jedoch sehr verwirrend, da er nicht wie bei Canon Objektiven die Stelle für das Ansetzen am Bajonett markiert. Der Punkt dient lediglich zum Ablesen der Gradstellung beim Rotieren des Objektives. Der Mechanismus zum Rotieren des Objektives ist gut konzipiert und klickt jeweils bei 15 Grad, was sehr angenehm ist.
Der Fokusring und der Blendenring laufen weich und geschmeidig. Was mich wirklich stört ist, dass sich beim abblenden des Objektives der Fokuspunkt verschiebt. Entsprechend muss man immer erst die Blende vorwählen und dann fokussieren. Das bedeutet aber umgekehrt, man kann nicht ein Bild mit Offenblende machen und direkt danach ein Bild abgeblendet, da sich der Fokus verschiebt. Hier muss man immer neu fokussieren, was wirklich störend ist.
Die Naheinstellgrenze beträgt 50cm, was für meine Pflanzenfotografie bedeutet, dass ich regelmäßig mit einem Zwischenring gearbeitet habe, um den Abbildungsmaßstab zu vergrößern.

Optische Eigenschaften:
Mein erster Eindruck war, das TTArtisan 50mm 1.4 neigt zu einer starken Verzeichnung und vignettiert stark. Das ist aus meiner Sicht im Verhältnis zum Preis vollkommen ok.
Was die Bildschärfe angeht, würde ich diese wie folgt zusammenfassen:
Offenblende 1.4: über den gesamten Bildbereich unbrauchbar
Blende 1.8: über den gesamten Bildbereich unbrauchbar
Blende 2.8: Schärfe in der Bildmitte gut, zu den Bildrändern stark abfallend.
Ab Blende 2.8 nimmt die Schärfe bis Blende 11 zu, sowohl in der Bildmitte als auch zu den Bildrändern. Für Kreative Fotos ist aber aus meiner Sicht Blende 2.8 ein ganz guter Sweetspot.

Spannendes Streulichtverhalten am Nachmittag (Blende 1,8; 13mm Zwischenring)

Bild Look:
Der unscharfe Bild Look des TTArtisan 50mm 1.4 Tilt ist wirklich schön. Die Unschärfekreise sind groß und weich, die starke Vignette und Weichheit erinnern stark an Altglas.
Das Objektiv ist sehr streulichtanfällig, was wirklich gut wirkt und Freude bereitet. Für wen Schärfe nicht alles ist, der bekommt ein erstaunlich gefälliges Objektiv.

Für wen welches Objektiv?
Ich sehe das Canon RF 50mm 1.8 bei denjenigen Fototgrafen, die ein leichtes, kleines AF Objektiv haben wollen, das optisch ok bis gut ist.
Das TTArtisan 50mm 1.4 Tilt ist ein Effektobjektiv, für alle die Freude am Bildlook von Altglas haben und die gerne mit dem Miniatureffekt arbeiten wollen. Wer keine optische Excellenz beim Spielen erwartet und auch Bilder ohne Schärfe schätzt, der kommt hier auf seine Kosten.

Fazit:
Als Spaßobjektiv ist das TTArtisan 50mm 1.4 Tilt ein tolles Objektiv, das seinen ganz eigenen Bildlook hat. Wer optische Excellenz erwartet, sollte dieses Objektiv meiden. Ich finde es zu einem Preis von 269 EUR ein cooles Objektiv für alle, die gerne mit dem Miniatureffekt spielen wollen.

Spannende Bokeheffekte dank Tilteffekt.

Tilteffekt, Zwischenring und Unschärfe. (Blende 1.8)

Für alle die sich ein Bild von der Schärfe machen wollen, hier ein 100% Crop (Ungeschärft). Einmal Blende 1.4, einmal Blende 1.8 und einmal Blende 1.8 vom Canon RF 50mm 1.8 im Vergleich.

100% Crop TTArtisan 50mm 1.4 Tilt Offenblende 1.4

100% Crop TTArtisan 50mm 1.4 Tilt Blende 1.8

100% Crop Canon RF 50mm 1.8 Offenblende 1.8

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